„Wir haben noch etwas zu tun“

Interview mit Dr. Astrid Auer-Reinsdorff von Lisa Schopp | Berliner Anwaltsblatt | Heft 06/2021

Sie können auf zwölf Jahre Vorstandstätigkeit zurückblicken. Worauf sind Sie besonders stolz?
Ein toller Moment war eine Vorstandssitzung in Brüssel, in der wir über die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte diskutiert haben. Als wir in die Vorstandsitzung gingen, war die Mehrheit des Vorstands gegen die Einführung der Quote. Nach der Sachverständigenanhörung hatte sich das Blatt gewendet: Sehr viele der männlichen Vorstandskollegen waren nun auch davon überzeugt, dass wir dringend eine Quote zur Förderung von Frauen in Führungspositionen benötigen. In der Folge hat sich der DAV für die Einführung einer Quote ausgesprochen und als seine erste Genderbeauftragte Kollegin Düsing benannt. Das fand ich super.

Und woran erinnern Sie sich nur ungern?
Die Art und Weise, wie jemand Präsident oder Präsidentin des DAV wird und wie lange diese Person das Amt ausübt, sind wirklich suboptimal. Ich muss sagen, die Wahl des Präsidenten bzw. der Präsidentin des DAV ist in den letzten Jahren eigentlich nie gut gelaufen. Entweder wird der oder die Amtierende mehr oder weniger dezent aus dem Amt gedrängt oder er oder sie legt das Amt für Außenstehende ohne Vorankündigung nieder. In diesem Fall muss der Vorstand relativ unvorbereitet aus seiner Mitte einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin wählen. Dies führt dazu, dass tendenziell eher ältere Kolleginnen und Kollegen sich dazu bereit erklären, spontan das – sehr zeitintensive – Amt zu übernehmen. Mitte 40 kann man sich nicht von heute auf morgen für mehrere Jahre aus der Kanzlei ziehen – das bedarf einer intensiven Vorbereitung. Wir haben deshalb aus der Mitte des Vorstands im letzten Jahr eine Satzungsinitiative auf den Weg gebracht, mit welcher die Amtszeit des Präsidenten bzw. der Präsidentin zeitlich klar begrenzt wird.“ Die Mitgliederversammlung wird zu den erarbeiteten Satzungsvorschlägen abstimmen.

Welche Projekte des Vorstands haben ihnen besonders viel Freude bereitet?
„Die Initiativ ‚‚Law – Made in Germay‘‘ ist eine super Initiative, die ursprünglich von der Arbeitsgemeinschaft Internationales Wirtschaftsrecht stammt. Hier habe ich mich gerne engagiert. Ich bin auch Mitglied des IT Committees des CCBE, der europäischen Dachorganisation der nationalen Anwaltsorganisationen. Ich finde es sehr spannend, über die Grenze zu blicken. Die Anwaltschaft der anderen Mitgliedsorganisationen hat von vielen Themen ein ganz anderes Verständnis. 2008 habe ich gemeinsam mit Advogada Cristina Dein den Deutschen Anwaltverein Portugal ins Leben gerufen und die Gründungsfeier in Lissabon war der Startschuss für die vom DAV organisierte „Law Made in Germany“-Reihe. Auch hier ging es darum, über den Tellerrand zu blicken. Das ist eine gute Sache. Vorstandsarbeit ist gewiss nicht immer einfach.

Welche Themen mussten Sie besonders kontrovers diskutieren?
Das sind schon viele (lacht). Ich habe es oft erlebt, dass das Präsidium die Vorstandssitzung mit einem Beschlussvorschlag eröffnete und am Ende der Sitzung mit einem völlig anderen Beschluss hinausging. Diese Flexibilität hat mir sehr gut gefallen. Nicht alle Vorstandsbeschlüsse werden einstimmig gefasst. Enthaltungen und Gegenstimmen, das gehört zu einer Diskussionskultur dazu. Ein Thema, über das wir über viele Jahre hinweg diskutiert haben, war der Umgang der Anwaltschaft mit der Digitalisierung und den Legal-Tech-Entwicklungen. Ich bin froh, dass der Vorstand dem Wandel nicht länger abwehrend gegenübersteht. Langfristig wird es uns nicht gelingen, uns als Anwaltschaft abzuschotten und alle ähnlichen Geschäftsmodelle als wettbewerbswidrig wegzuklagen. Mal abgesehen davon, dass diese abwehrende Haltung auch dem Ansehen des Vereins in der Anwaltschaft und bei der Mandantschaft schadet.

Sie haben sich nicht nur im Vorstand engagiert, sondern auch bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im Jahr 2004 mitgewirkt. Wie kam es dazu?
Damals war gerade eine Studie herausgekommen, der zufolge Anwältinnen im Vergleich zu der Anzahl der Studienabsolventinnen und zugelassenen Rechtsanwältinnen im Deutschen Anwaltverein stark unterrepräsentiert seien. Michael Streck, der damalige Präsident des DAV, hat deshalb alle Funktionsträgerinnen aus der Anwaltschaft zusammengerufen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die damalige Geschäftsführerin des Hamburgischen Anwaltvereins Svenja Spranger bereits aktiv für die Frauenförderung in der Anwaltschaft eingesetzt und einen ersten Kongress für Anwältinnen ins Leben gerufen. Aus diesen Initiativen entstand ein Arbeitskreis, der weitere Veranstaltungen für Anwältinnen organisierte. Die Tätigkeit des Arbeitskreises Anwältinnen stieß auf derart positive Resonanzen, dass wir im Jahr 2004 auf dem DAT in Hamburg beschlossen, eine eigene Arbeitsgemeinschaft zu gründen. Wir haben lange diskutiert, ob auch Männer Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sein dürfen, und uns letztlich dafür entschieden, was ich begrüßt habe. Weil es damals kein anderes Gremium gab, äußerte sich die Arbeitsgemeinschaft zu politischen Themen – was eigentlich in der DAV-Struktur nicht zu den Aufgaben einer Arbeitsgemeinschaft gehört. Weil es immer wieder Gesetzesvorhaben gibt, welche die Belange von Frauen betreffen und zu denen Anwältinnen angehört werden sollten, wurden in der Folge im DAV die Position der Genderbeauftragten und der Genderausschuss geschaffen. Im letzten August hat der Vorstand dann beschlossen die Position als Gender- und Diversitybeauftragte aufzustellen. Eine entsprechende Veränderung in der Ausschussstruktur des DAV steht noch aus.

Ohne Sie würde es auch die Fachanwaltschaft IT-Recht nicht geben. Ihr Gründungsvorhaben im Jahr 2006 stieß zunächst auf Widerstand. Weshalb?
Der Wunsch, eine Fachanwaltschaft für IT-Recht zu gründen, kam aus der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht. Um das Vorhaben zu erörtern, hat die davit in Berlin einen Workshop mit rund 50 Kolleginnen und Kollegen veranstaltet. Das war eine spannende Diskussion. Von den IT-Spezialisten selbst hörten wir den Einwand, wir könnten uns doch nicht die Konkurrenz heranzüchten. IT-Recht sei auch zu breit aufgestellt, um aus der Masse an Themen eine einheitliche Fachanwaltschaft bilden zu können. Zudem war die Sorge groß, die Anzahl an rechtsförmlichen Verfahren nicht nachweisen zu können – deshalb sieht der Katalog auch nur zehn rechtsförmliche Verfahren einschließlich alternativer Streitbeilegungsverfahren vor. Von außen äußerte man Zweifel, ob wir genügend Kolleginnen und Kollegen finden würden, die sich für IT- und Datenschutzrecht interessierten. Auch den – umgekehrten – Einwand, die Fachanwaltschaft sei nicht breit genug aufgestellt, hörten wir oft. Wir, die davit, damals noch mit einer Doppelspitze mit Prof. Jochen Schneider als Vorsitzendem und mir als Vorsitzende, haben uns jedoch nicht beirren lassen, ein Curriculum erarbeitet und begonnen, die politischen Fäden zu ziehen. Heute wissen wir: Das war genau richtig. Kanzleien und Unternehmen suchen händeringend nach IT-Rechtskompetenz.

Ohne Sie würde es auch die Fachanwaltschaft IT-Recht nicht geben. Ihr Gründungsvorhaben im Jahr 2006 stieß zunächst auf Widerstand. Weshalb?
Der Wunsch, eine Fachanwaltschaft für IT-Recht zu gründen, kam aus der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht. Um das Vorhaben zu erörtern, hat die davit in Berlin einen Workshop mit rund 50 Kolleginnen und Kollegen veranstaltet. Das war eine spannende Diskussion. Von den IT-Spezialisten selbst hörten wir den Einwand, wir könnten uns doch nicht die Konkurrenz heranzüchten. IT-Recht sei auch zu breit aufgestellt, um aus der Masse an Themen eine einheitliche Fachanwaltschaft bilden zu können. Zudem war die Sorge groß, die Anzahl an rechtsförmlichen Verfahren nicht nachweisen zu können – deshalb sieht der Katalog auch nur zehn rechtsförmliche Verfahren einschließlich alternativer Streitbeilegungsverfahren vor. Von außen äußerte man Zweifel, ob wir genügend Kolleginnen und Kollegen finden würden, die sich für IT- und Datenschutzrecht interessierten. Auch den – umgekehrten – Einwand, die Fachanwaltschaft sei nicht breit genug aufgestellt, hörten wir oft. Wir, die davit, damals noch mit einer Doppelspitze mit Prof. Jochen Schneider als Vorsitzendem und mir als Vorsitzende, haben uns jedoch nicht beirren lassen, ein Curriculum erarbeitet und begonnen, die politischen Fäden zu ziehen. Heute wissen wir: Das war genau richtig. Kanzleien und Unternehmen suchen händeringend nach IT-Rechtskompetenz.

Sie sind auch Mitherausgeberin des Handbuchs IT- und Datenschutzrecht – dem Standardwerk für IT-Rechtlerinnen und -Rechtlern. Wie ist das Handbuch entstanden?
Und wie ist es zum Standardwerk für geworden? Die Idee zum Handbuch entstand kurz nach Gründung der Fachanwaltschaft IT-Recht. Nach der ersten Lehrgangsrunde kam Rechtsanwältin Isabell Conrad auf mich zu, ob wir nicht einen Verlag ansprechen und aus den Lehrgangsskripten ein Handbuch entwerfen wollen. Wir wandten uns unter anderem an den Beck-Verlag, der sogleich Interesse bekundete. In einem nächsten Schritt verhandelten wir mit dem Beck-Verlag und der DeutschenAnwaltAkademie, dass das Handbuch zugleich auch das Lehrbuch zum Fachanwaltskurs wird. 2011 erschien die erste Auflage des Handbuchs. Seitdem ist das Handbuch Bestandteil des Fachanwaltslehrgangs IT-Recht in Zusammenarbeit mit der DeutschenAnwaltAkademie. Damit wird es Teil des Handapparats, welcher durch die nächste Auflage aktuell gehalten wird. Wir haben gerade den Startschuss für die vierte Auflage gegeben, welche nächstes Jahr erscheinen wird.

DAV-Vorstand, IT-Rechtshandbuch, Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen, Fachanwaltschaft IT-Recht, DAV Portugal. Das ist eine bemerkenswerte Bilanz, die Ihre Innovations- und Gestaltungsfreude deutlich macht. Woher schöpfen Sie Ihre Kraft?
Einige Jahre habe ich schon sehr wenig geschlafen. Als mein Sohn in die Schule kam und ich sehr früh aufstehen musste, das war die schwierigste Zeit. Vorstandstätigkeit kann mit viel Reisetätigkeit verbunden sein. Bis zum März letzten Jahres lag mein Koffer – auch wegen in- und ausländischer Mandate – immer aufgeklappt im Schlafzimmer. Gerade wenn man jung ist, ist dies natürlich sehr spannend. Doch irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem man auch gern einmal öfter Zuhause wäre. Im Allgemeinen kann ich jedoch gut von meiner Arbeit abschalten. Am Wochenende denke ich nicht an meine Arbeit, wenn ich nicht will. Das ist sehr heilsam. Und ich muss sagen, meine Arbeit macht mir einfach wahnsinnig viel Spaß. IT-Recht kann gar nicht langweilig werden. Es entstehen immerfort so viele neue Anwendungen, hier helfen weder Muster noch Vorlagen. Es ist ein kreatives Rechtsgebiet und eine tolle Branche.

Ihr Engagement im Vorstand hinterlässt eine große Lücke in Ihrem Terminplaner. Haben Sie schon eine Idee, wie Sie diese Lücke füllen möchten, oder sind Sie froh, dass da erst einmal gar nichts ist?
Es wurden schon einige Ideen an mich herangetragen, doch ich bin noch etwas zurückhaltend. Ich muss mich erst einmal sortieren – international bleibt es in jedem Fall. Was ich dringend möchte, ist, mich mehr außerhalb der Anwaltschaft bewegen. Trotz der Diversität, die wir in der Anwaltschaft haben, bildet sie doch nur einen Gesellschaftsbereich ab. Ich werde mich deshalb bei dem von dem deutschen Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner und seiner Schwester Johanna gegründeten sozialen Projekt #wirmachenwelle engagieren. Und ich möchte mein früheres Steckenpferd kultivieren: Als ich anfing zu arbeiten, wollte ich unbedingt Sportrecht machen. Hier möchte ich wieder aktiver werden und unterstütze seit Ende letzten Jahres das Management der Schwimmerin Yusra Mardini, deren Fluchtgeschichte aus Syrien gerade mit Netflix verfilmt wird. Schatzmeisterin des Berliner Anwaltsvereins bin ich ja weiterhin sowie Redaktionsleiterin des Berliner Anwaltsblatts, das mit der Ausweitung in die sozialen Medien spannende Herausforderungen und Neuerungen bietet. (Schmunzelnd ergänzend:) Doch so ein großes Ehrenamt, das muss ich jetzt erst einmal nicht wieder haben.

Frau Dr. Auer-Reinsdorff, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Interview mit Dr. Astrid Auer-Reinsdorff von Lisa SchoppBerliner Anwaltsblatt | Heft 06/2021

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